Matthias Ulrich

PEACE. Everything but PEACE

Da war dieser kalifornische Künstler, der seine an mich gerichteten E-Mails stets mit „Peace“ und seinem Namen beschlossen hat. Kalifornien, Venice Beach, Peace … das machte Sinn. Dennoch dachte ich zuerst an einen aus der Zeit gefallenen Typ der Sorte John Lennon in weißem Gewand und Blumenkette, dessen aufdringliche Mission es ist, das Gute unter die Menschen zu bringen. Das Gute, das Positive, das Höfliche, das Menschliche … selbst die Vokabeln lassen einen heute schlagartig ermüden und sie bleiben dennoch in den kleinsten Zahnzwischenräumen hängen, wo sie die Zungenaktivität anregen, als ob sie innerlich und tonlos am Leben bleiben müssten. Und je öfter ich besagte E-Mails erhalten und selbst schon meine Nachrichten an andere mit dieser Floskel aufgehellt habe, desto klarer ist mir die Arroganz derer geworden, die an so etwas wie Frieden kein Interesse haben, das heißt kein politisches oder intellektuelles Interesse, und stattdessen lieber die Ungerechtigkeiten der Welt anprangern. Nein, falsch, Frieden ist dieser Fetzen, der zwischen den Zähnen hängenbleibt und der von den fetten Schweinen abstammt, die genüsslich verspeist wurden und Namen haben wie Rüstungsindustrie, Pharmaindustrie, Patriarchat, Spektakel, Hollywood, Massentierhaltung etc. pp.

Das klingt natürlich grob nach einer anderen Trivialität, dass nämlich nur die Gleichheit aller zu Frieden führen kann. Es liegt in der Natur des Wissens, allgemeine, universale Ziele formulieren zu können und nachvollziehbar zu machen. Noch wichtiger aber ist es, den blinden Fleck des Wissens als jene Unterscheidung zu markieren, auf deren Basis das Wissen überhaupt nur prozessiert werden kann. Will sagen, Wissen fällt nicht vom Himmel, sondern kommt von Wissen, unterscheidet sich von anderem Wissen, nährt sich von anderem Wissen und breitet sich unendlich auf einem Horizont des Wissens aus. In diesem Horizont gibt es kein Zentrum, jeder Zugriff wiederholt die Form der Unterscheidung von etwas und allem anderen. Und gerade deswegen ist jeder Zugriff nicht nur eine Sichtbarmachung von einer Unterscheidung, sondern vor allem ein Angebot, die Unterscheidung an dieser Stelle des Wissenshorizonts fortzusetzen und mit anderen Unterscheidungen zu prozessieren. Kein geringer Anteil des Diskurses hat mit Attraktivität zu tun beziehungsweise einer attraktiven, gegenwärtigen Sprache, des Kaisers neue Kleider gewissermaßen, in der verschiedene Bereiche des Sozialen partizipieren. Nicht so bislang die Idee des Friedens. Frieden ist schiere Langeweile im Gegensatz zu Krieg. Werte wie Mut, Heldentum, Hoffnung und Vertrauen wären, nach Meinung von Bertolt Brecht, ohne Krieg nicht erfunden worden. Vielleicht gelingt es ja, ein konkurrierendes Konzept für Aufregung und heroische Energie zu finden.

Frieden ist schiere Langeweile im Gegensatz zu Krieg.
Die Geschichte des Friedens

Weiterhin gilt es als relativ unbestritten, dass die Geschichte des Friedens so alt ist wie die Menschheit selbst. Während Krieg oft als die Natur der Menschheit verstanden wird, handele es sich beim Frieden um etwas weitaus Zerbrechlicheres und Flüchtigeres. Diese Ansicht ist falsch! Was allerdings konstatiert werden kann, ist, dass Krieg und Gewalt im Medienzeitalter profitable Events sind und von der Politik mit großer Beachtung angestrahlt werden. Als eine kapitalistische, ökonomische Größe kann für den Frieden prognostiziert werden, dass er nur dann zu einer breiten gesellschaftlichen Anerkennung kommt, wenn das wirtschaftliche Auseinander-Wachstum an Bedeutung verliert und stattdessen ein kollektives Zusammen-Wachstum an Attraktivität gewinnt. Der Post-Humanismus vergrößert dieses Kollektiv. Zusätzlich zu einem Gesellschaftsvertrag, der, laut Rousseau, auf das Gemeinwohl abzielt (wieder ist es ein Außen, in dem sich die Richtigkeit des [guten] Handelns kristallisiert), drängt sich zunehmend das auf, was Michel Serres zwingend empfiehlt, nämlich ein Naturvertrag, in dem die Gewährleistung des Lebens überhaupt verhandelt wird, sei es das Prinzip Gaia, der Holismus oder einfach das Alles-ist-mit-Allem-Verbunden.

In diesem Kontext möchte sich die Ausstellung PEACE verorten. Sie konstruiert Verbindungen, mit deren Hilfe andere Zugänge zu einem Leben mit und in Frieden wahrnehmbar werden. Frieden ist Gegenwart, ist Mit-Sein (eng.: withness), ist mit der Welt und mit anderen sein. Um den für das „dialogische Prinzip“ bekannten Religionsphilosophen Martin Buber sprechen zu lassen: „Es muss keineswegs ein Mensch sein, dessen ich inne werde; es kann ein Tier sein, ein Gewächs, ein Stein. Keine Art von Erscheinung, keine Art von Begebenheit ist grundsätzlich aus der Reihe derer geschaltet, durch die mir jeweils etwas gesagt wird. Nichts kann sich weigern, dem Wort Gefäß zu sein. Die Möglichkeitsgrenzen des Dialogischen sind die des Innewerdens.“1

 

Frieden ist Gegenwart, ist Mit-Sein (eng.: withness), ist mit der Welt und mit anderen sein.

Ich erinnere mich an den Slogan, der nicht aus Brechts Feder stammt: „Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin.“ Diesen Slogan nur als Plattitüde abzutun, entspricht nicht seiner subtilen Richtigkeit. Krieg und Gewalt bedienen eine einträgliche, visuelle Nachrichtenindustrie, deren reziproker Einfluss auf die Ausübung von Gewalt und Krieg nicht zu unterschätzen ist. Man denke nur an die Terrorvirulenz, die mit 9/11 neu aufgelegt wurde und seither den Alltag der ersten wie auch der übrigen Welt bestimmt, sei es in der Rekrutierung neuer Terroristen, sei es in der Frage neuer Sicherheitssysteme.

In der Kunst hat Renzo Martens mit seiner Filmarbeit „Episode 3: Enjoy Poverty“ aus dem Jahr 2008 eine veritable Kritik an der Perversion der Krieg-als-Ressource-Ökonomie vorgelegt, die zeigt, dass die Gewalt als reines Geschäftsmodell besser für Entwicklungshilfe taugt als moralische Worte, weil durch sie das Interesse unter die mediale Aufmerksamkeitsschwelle fällt und die Existenz jener Not schlicht bedroht (Renzo Martens, Trailer Episode 3). Es mag stimmen, dass das Überleben der Spezies Mensch nicht notwendig der Auftrag des Menschen ist – im Gegensatz zu den Pflanzen etwa ist in Begriffen von Evolution seine 200.000-jährige Existenz kaum der Rede wert. Wenn allerdings Zynismus und Interesselosigkeit den Untergang beschleunigen, wenn die Ursachen oder zumindest die Konsequenzen eindeutig sind und wenn das ganze Schauspiel als große Hollywood-Produktion schon mehrfach die Kinosäle gefüllt hat, wenn Lösungen in den Labors und Garagen zurückgehalten werden, wenn 100% unserer Energie bereits in 13 Jahren alleine durch Wind, Wasser und Sonne gewonnen werden können und sw. und sf.

Gute Zeiten sind nicht gut – fällt mir da ein, was ein gewisser Martin Kippenberger einst getextet hat, das war um 1990. Trotzdem: Das Gute hat in Zeiten der Entschleunigung und der inneren und äußeren Nachhaltigkeit, der posthumanen Ökologie, gute Chancen, ernst genommen zu werden. Der Hybrid aus platonischem Altruismus und kybernetischem Buddhismus vollzieht ein Modell des guten Handelns, das auf einen inneren Frieden ausgerichtet ist. Ob die Welt oder wahlweise die Kunst gerettet werden können und wenn ja, von was, das kann erst dann beantwortet werden, wenn klar wird, dass es niemandem etwas bedeutet, solange diese Welt oder diese Kunst nur außerhalb liegen. So außerhalb wie die Umwelt, die deswegen auch zerstört werden kann, denn läge sie innerhalb und wäre sie ein Teil von uns, dann würden wir sie bestimmt nicht so behandeln. Und genau diese Überlegung liegt im gegenwärtigen Trend und bedingt die Notwendigkeit, die bekannten Begriffe neu zu füllen. Frieden, Natur, Körper und so weiter. Laut Timothy Morton handelt es sich um den immer wiederkehrenden Dualismus von Subjekt und Objekt, welcher auf der Unterscheidung von Innen und Außen beruhe („Das Subjekt ist ‚dies‘, ‚hier‘, ‚innen‘; das Objekt ist ‚jenes‘, ‚dort‘, ‚außen‘.“) und der „als der philosophische Grund für die Zerstörung der Umwelt durch den Menschen angesehen wird“. Mortons Versuch besteht in einer Praxis des ökologischen Schreibens, mit dem die Unterscheidung zwischen uns und der Natur aufgehoben werden kann. „Es (das ökologische Schreiben, e. A.) soll nicht nur beschreiben, sondern ein funktionsfähiges Modell liefern, mit dem der Unterschied zwischen Subjekt und Objekt aufgelöst werden kann.“2

Das Gute hat in Zeiten der Entschleunigung und der inneren und äußeren Nachhaltigkeit (...) gute Chancen, ernst genommen zu werden.

In Philosophie und Religion richtet sich ‚das Gute tun‘ häufig an den Anderen, an das Außen, von wo es zurückstrahlt. Platon etwa sieht durch ungerechtes Handeln den inneren Frieden gefährdet. Das allerdings setzt voraus, dass die Gerechtigkeit der Handlung ohne ihr positives Feedback angenommen, dass eine Handlung an sich und a priori als gerecht oder ungerecht bewertet werden kann. Einem bettelnden Menschen eine Münze in den leeren Plastikbecher werfen, ist das eine gute Handlung, wenn gar nicht klar ist, wofür das Geld anschließend verwendet wird, nur weil man in ebenjenem platonischen Sinne daran glauben können muss, dass die Münze in ihrer weiteren Verwendung wieder für einen guten Zweck eingesetzt werden wird? Oder reicht zur Bewertung von gerecht/ungerecht die erste Wirkung einer Handlung, diejenige, die beim Adressaten erzielt wird und erfragt werden kann, ohne die Kette an Wirkungen zu beachten? Und ist es überhaupt möglich, um in diesem Bild zu bleiben, einen Begriff von Gerechtigkeit zu definieren, der nicht von einem zugrunde liegenden Ungleichgewicht ausgeht, auf dessen Basis die Frage nach Gerechtigkeit überhaupt erst relevant werden kann, es dem Nicht-Bettelnden also in Wahrheit immerzu leicht fällt, gerecht zu handeln? Und an der Sache, der Tatsache, dass in entwickelten Gesellschaften die Armut zunimmt, ändert die eine Münze sowieso nichts – um das zu ändern, müsste eine viel größere Veränderung vorgenommen werden, die gemeinhin auf das gesellschaftliche System abzielt. Aber vielleicht ist etwas Gutes schon getan, wenn man annehmen kann, dass dem Bettelnden mit einer Münze im Becher mehr geholfen ist als ohne eine Münze. Sicher ist damit keine Gerechtigkeit erreicht worden, nicht einmal der Anfang einer solchen, aber ohne die Wahrnehmung anderer Bedürfnisse als die eigenen ist so jemand wie ein Bettler nicht einmal vorhanden oder stört lediglich den ansonsten reibungslosen Kapitalfluss in der Fußgängerzone.

Gefangen in der Ich-Blase

,Raus aus der Ich-Blase‘ ist leichter gesagt als getan. In den meisten Fällen ist mit der Ich-Blase keine psychische Krankheit gemeint, sondern die schiere Normalität des Denkens und der Erfahrung, die jeder einzelne Mensch nur für sich erlebt, egal wie viele andere auch sonst denselben Gedanken haben oder dieselbe Erfahrung machen. „Überlegen Sie mal: Sie haben nie eine Erfahrung gemacht, bei der Sie nicht im absoluten Mittelpunkt standen. Die Welt, die Sie erfahren, liegt vor Ihnen oder hinter Ihnen, links oder rechts von Ihnen, auf Ihrem Fernseher, Ihrem Monitor oder sonst wo. Die Gedanken und Gefühle anderer Leute müssen Ihnen irgendwie kommuniziert werden, aber Ihre eigenen sind unmittelbar, zwingend und wirklich.“3 Kommunikation und Sprache

Falsch ist die Schlussfolgerung, dass deswegen keine wirkliche Empathie, kein wirkliches Mitgefühl, ja nicht einmal wirkliches Mitleid möglich sei. Richtig ist allerdings auch, dass niemand eine 1:1-Mitschrift der individuellen Wirklichkeit anbieten kann. Was aber ist dann die Konsequenz aus dem unmöglichen Entkommen aus dem eigenen Ich? Heißt das nicht auch und vor allem, dass etwas Gutes tun sich immer nur an den Sender richtet, aber niemals den Adressaten erreicht, selbst dann, wenn wir uns der Illusion aussetzen, dass wir durch unser Handeln etwas, das außerhalb von uns liegt, bewegen, verändern, beeinflussen können?

„Die Gedanken und Gefühle anderer Leute müssen Ihnen irgendwie kommuniziert werden, aber Ihre eigenen sind unmittelbar, zwingend und wirklich.“
David Foster Wallace

Das Problem mit der Abstraktion, auf das David Foster Wallace in seiner wunderbar einfachen Rede vor Studenten hinweist, erscheint mir ein Dilemma zu sein, das das Denken selbst produziert, um dadurch logischerweise nicht aus dem Dilemma herauskommen zu können, es sei denn durch Zerstörung des Gehirns oder durch Simplifikation – womöglich auch Simplifikation der Bedeutung des Menschen allgemein. Und genau besehen sind die Zweifel am Menschen allgegenwärtig – doch welche Alternativen bieten sich dem Menschen an? Noch dazu in einer ,wirklichen Welt‘ „(…) der Männer, des Geldes und der Macht(, die) läuft wie geschmiert dank dem Öl aus Angst, Verachtung, Frustration, Gier und Selbstverherrlichung. Unsere heutige Kultur hat der spezifischen Nutzung dieser Kräfte außerordentlichen Reichtum, Komfort und individuelle Freiheit zu verdanken. Nämlich die Freiheit für jeden von uns, Herrscher seines winzigen, schädelgroßen Königreichs zu sein, allein im Mittelpunkt der Schöpfung. Diese Art Freiheit hat vieles, was für sie spricht. Aber es gibt natürlich verschiedene Formen der Freiheit, und die kostbarste wird in der großen, weiten Welt des Siegens, Leistens und Blendens selten erwähnt. Die wirklich wichtige Freiheit erfordert Aufmerksamkeit und Offenheit und Disziplin und Mühe und Empathie, andere Menschen wirklich ernst zu nehmen und Opfer für sie zu bringen, wieder und wieder, auf unendlich verschiedene Weisen, völlig unsexy, Tag für Tag. Das ist wahre Freiheit. Das heißt es, Denken zu lernen.“4

„(...) es gibt natürlich verschiedene Formen der Freiheit, und die kostbarste wird in der großen, weiten Welt des Siegens, Leistens und Blendens selten erwähnt.“ (David Foster Wallace)

Die Alternative, die in diesem langen Zitat angesprochen wird, trägt versteckte Namen wie Achtsamkeit oder Verantwortung. So wachrüttelnd die ganze Rede von David Foster Wallace auch ist und sein kann, so wenig neu kommt sie mir vor, was wiederum die Bedeutung dieser Rede hebt und gleichzeitig das Vertrauen in einen wirklichen Fortschritt, der von den Menschen vermeintlich angestrebt wird, schwächt. Gerade hat die kollektive Pflanzenwelt darüber entschieden, in Zukunft die Photosynthese zu reduzieren. „Gesellschaftliche Wirklichkeit“, so schreibt Donna Haraway in ihrem Manifest für Cyborgs, „d.h. gelebte soziale Beziehungen, ist unser wichtigstes politisches Konstrukt, eine weltverändernde Fiktion. (…) Befreiung basiert auf der Konstruktion eines Bewusstseins, das als phantasievolles Erkennen der Unterdrückung neue Handlungsmöglichkeiten eröffnet.“5 Während es Donna Haraway hier um einen zwischen Mensch und Maschine oszillierenden, feministischen Cyborg geht, die die heiligen Dualismen aushebelt, kann ihre Kritik am Anthropozän fortgeführt werden zu den Tieren und Pflanzen und selbst zu einer unbelebten Welt, etwa der Steine, da überall soziale Beziehungen stattfinden, in denen vorwiegend Männer den Teilnehmer/innen die Plätze zuteilen. In Zeiten von Kommunikation ist ein ständiger Wandel normal. Identitäten lösen sich auf, Ideologien haben als Konzepte ausgedient. Sobald klar ist, dass die Freiheit des Denkens darin liegt, an das zu denken, woran zu denken sich lohnt, wenn also auch die ausgeblendete andere Seite des Gedankens als Möglichkeit zugelassen wird, um Sinn zu produzieren, dann kann es gelingen, im Strom des Denkens zu baden und die Flüssigkeit des Denkens als ihre einzige Gewissheit anzuerkennen. Zusammen mit den Maschinen, die sich zunehmend im menschlichen Gewebe einnisten, entsteht eine Bewegung, die für (eine) ständige Auflösung und Verschaltung aller Entitäten – Haushalt, Arbeitsplatz, Markt, öffentliche Sphäre, Körper – sorgt.

In Zeiten von Kommunikation ist ein ständiger Wandel normal. Identitäten lösen sich auf, Ideologien haben als Konzepte ausgedient.

Ein globaler Frieden, der einmal erreicht ist, könnte das Spiel des Lebens zum ersten Mal in Bewegung setzen, ein Spiel, dessen Ziel darin besteht, die Identitäten und die Mechanismen der Herstellung von Identität ständig zu ändern. Ein solches Spiel ist für die meisten Menschen in den sogenannten entwickelten Ländern längst vorhanden, so auch in diesem Text, doch auch dieser Text hält sich ja offenbar nicht durchgehend an die Regeln. Eine andere Künstlerin, Adrian Piper, bot 2015 auf der Venedig-Biennale ein anderes Spiel an, nämlich individuelle Verträge, insgesamt drei verschiedene, wovon einer die oder den Unterzeichnende/n dazu verpflichtet, immer das zu sagen, was sie oder er meint. Auch wenn ich im Moment der Unterzeichnung schon wusste, dass ich sicher Vertragsbruch begehen würde, etwa bei der Antwort auf die Frage einer/eines Kollegin/en, wie ich die diesjährige Biennale denn finde, bemerke ich immer noch ein schlechtes Gewissen, wenn ich mal wieder die Unwahrheit sage. Aber auch das wird die reale und Frieden ausschließende Ungerechtigkeit in der Welt nicht lösen.

Die Angst, durch eine Veränderung etwas zu verlieren, ist weit größer als das Schuldgefühl aufgrund des schlechten Gewissens. Hinsichtlich der Bedrohung des Klimawandels und somit der größten Herausforderung überhaupt haben wir, laut Naomi Klein, glücklicherweise auch die Chance, das Leben von Grund auf zu verändern, d.h. zu verbessern und „den Wiederaufbau und die Wiederbelebung der regionalen Wirtschaft zu fordern; unsere Demokratien dem zerstörerischen Einfluss der Konzerne zu entreißen; gefährliche neue Freihandelsabkommen zu blockieren und alte umzuschreiben; in die unterentwickelte öffentliche Infrastruktur wie Massenverkehrsmittel und bezahlbaren Wohnraum zu investieren; die Privatisierung wichtiger Dienstleistungen wie die Energie- und Wasserversorgung rückgängig zu machen; unser krankes Landwirtschaftssystem durch ein gesünderes zu ersetzen; Grenzen für Einwanderer zu öffnen, die wegen der Folgen des Klimawandels ihre Heimat verlassen mussten; endlich die Landrechte der indigenen Völker anzuerkennen – das alles würde dazu beitragen, das groteske Maß an Ungleichheit in und zwischen unseren Ländern zu beenden.“6 Natur

Wie lässt sich Frieden erzielen?

Dieser Text ist ein Beispiel dafür, dass viele disparate und diverse Aspekte dem Phänomen Frieden zugeführt werden müssen, um es auch nur annähernd zu beleuchten, dass aber unterm Strich Frieden durch diesen oder die im Text angedeuteten anderen Texte und Bücher nicht erzielt worden ist und nicht erzielt werden kann – darauf weisen zumindest die anderen Texte und Bücher hin. Die Absicht dieses Textes ist es eigentlich, die Einbettung des Friedens in eine Ausstellung mit zeitgenössischen Arbeiten zu erklären, die sich überdies nicht mit den erwartbaren Inhalten und Formen, wie in den in diesem Text genannten Arbeiten angedeutet, assoziieren lassen. Beide Arbeiten, die von Renzo Martens und Adrian Piper, finden sich nur in diesem Text, wenngleich sie sehr wohl, bei mehr vorhandener Ausstellungsfläche, Teil der Ausstellung hätten werden können. Dann hätte sich nicht viel an dem Text zur Ausstellung geändert, es wäre nur ein Satz verloren gegangen, und natürlich alle diejenigen Sätze, die die Änderung des Textes in Anbetracht der beiden Arbeiten, die nicht in der Ausstellung, aber in diesem Text zur Ausstellung sind, verfolgen. Vielleicht ist es ja gelungen, die Ausstellung weiterzudenken und weiterzubauen und die nicht in der Ausstellung anzutreffenden Arbeiten durch die Erwähnung im Ausstellungstext zu inkludieren.